Gauweiler will Volkabstimmung über EU-Verfassung erwirken
Mittels einer einstweiligen Anordnung will der CSU-Parlamentarier den Bundestag zwingen, die für Mai geplante Abstimmung im Parlament zu verschieben.
Von Heribert Prantl
Der CSU-Bundestagsabgeordnete Peter Gauweiler versucht, die Ratifizierung der EU-Verfassung im Bundestag zu stoppen – wegen „Verfassungswidrigkeit des Zustimmungsgesetzes“. Am Mittwochnachmittag forderte er Bundestagspräsident Wolfgang Thierse in einem Gespräch auf, die für den 12. und 13. Mai angesetzte zweite und dritte Lesung des Gesetzes von der Tagesordnung des Bundestages zu nehmen.
Gauweiler kündigte zugleich an, beim Bundesverfassungsgericht Organklage, Verfassungsbeschwerde und Antrag auf einstweilige Anordnung zu erheben. Die einstweilige Anordnung hat das Ziel, es dem Bundestag höchstgerichtlich zu untersagen, über das Zustimmungsgesetz zu beschließen, bevor das Verfassungsgericht entschieden hat.
Die Anträge und ihre Begründung, die am kommenden Montag in Karlsruhe eingereicht werden sollen, liegen der Süddeutschen Zeitung vor: Auf 277 Seiten führt der Erlanger Rechtsprofessor Karl Albrecht Schachtschneider aus, dass der EU-Verfassungsvertrag in der vorliegenden Form mit dem Grundgesetz nicht vereinbar sei.
„Die gesamte Entwicklung“, so Schachtschneider zur SZ, „überschreitet die Grenze, die das Bundesverfassungsgericht im Maastricht-Urteil gezogen hat“. Seine Verfassungsklage verweist darauf, dass die EU-Verfassung jeglichem Recht der EU den Vorrang vor dem Recht der Mitgliedsstaaten, also auch vor den Verfassungen, einräume.
Das Grundgesetz und die Landesverfassungen seien damit zur Disposition der EU-Organe gestellt, das Grundgesetz sei damit entwertet und abgelöst. Diese Argumentation läuft darauf hinaus, dass auch in Deutschland eine Volksabstimmung über die EU-Verfassung stattfinden muss: Nach Artikel 146 Grundgesetz kann dieses nur dann seine Kraft verlieren, wenn „eine neue Verfassung in Kraft tritt, die von dem deutschen Volk in freier Entscheidung beschlossen worden ist“.
Schachtschneider hatte auch die Verfassungsbeschwerde gegen den Maastricht-Vertrag vertreten. Diese war zwar 1993 in Karlsruhe zurückgewiesen worden, die Richter hatten sich jedoch vorbehalten, die weitere Entwicklung genau zu beobachten, mehr Demokratie in der EU angemahnt und gefordert, „dass dem Deutschen Bundestag Aufgaben und Befugnisse von substantiellem Gewicht verbleiben müssen“.
Die Klage versucht nun nachzuweisen, dass dies nicht mehr der Fall ist: Die Staatlichkeit der EU sei mittlerweile so groß, dass für die Souveränität Deutschlands kaum noch Raum bleibe.
Die Rechtshoheit sei den deutschen Gewalten aus den Händen genommen, die Budgethoheit des Parlaments ausgehöhlt; die Wirtschaftshoheit sei den Mitgliedsstaaten komplett genommen. Die EU-Politik der inneren Sicherheit sei eine „existenzielle Entstaatlichung der Mitgliedsstaaten“.
„Die Grundrechtslage ist nicht mehr die, die wir über Jahrzehnte genossen haben“, urteilt Schachtschneider. Solche Bedenken hatte kürzlich auch das Verfassungsgericht in der Verhandlung zum EU-Haftbefehl anklingen lassen.