Einführung bundesweiter Volksentscheide
Die Linke ist mit einem Antrag gescheitert, bundesweite Volksentscheide in die Verfassung aufzunehmen. CDU/CSU, FDP und SPD stimmten gegen den Entwurf, die Grünen enthielten sich der Stimme.
Aus Sicht der Linken gibt es derzeit eine Politik, die "teilweise von den Problemen der Menschen abgehoben" ist. Auch der Lobbyismus und eine "(selbstgemachte) Zeitnot" im parlamentarischen Betrieb stelle ein Problem dar. Insgesamt würden viele Menschen von der Einflussnahme ausgeschlossen.
Vor diesem Hintergrund schlägt Die Linke die Aufnahme einer bundesweiten, dreistufigen Volksgesetzgebung in das Grundgesetz vor. Die Verfassung soll danach u.a. um die folgenden Absätze ergänzt werden:
- Stufe 1: Volksinitiative: "Durch Volksinitiative können 100 000 Wahlberechtigte beim Bundestag Gesetzesvorlagen und andere bestimmte Gegenstände der politischen Willensbildung in den Bundestag einbringen. Die Vertrauensleute der Volksinitiative haben das Recht auf Anhörung im Bundestag und seinen Ausschüssen. Volksinitiativen, durch die die Gliederung des Bundes in Länder, die grundsätzliche Mitwirkung der Länder bei der Gesetzgebung oder die in den Artikeln 1 und 20 niedergelegten Grundsätze berührt werden, sowie zum Haushaltsgesetz sind unzulässig. Volksinitiativen zur Änderung des Grundgesetzes dürfen kein Grundrecht in seinem Gehalt antasten. Der Bundestag beschließt innerhalb einer Frist von vier Monaten über die Zulässigkeit und den Inhalt der Volksinitiative; dabei ist dem Bundesrat Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Die Entscheidung über die Unzulässigkeit ist zu begründen. Soweit eine erfolgreiche Volksinitiative für unzulässig erklärt wird, steht den Vertrauenspersonen gegen diese Entscheidung der Rechtsweg zum Bundesverfassungsgericht offen."
- Stufe 2: Volksbegehren: "Frühestens zwei Monate nach der Ablehnung der Volksinitiative durch den Bundestag haben derenVertrauensleute das Recht, ein Volksbegehren einzuleiten. Das Volksbegehren ist zustande gekommen, wenn mindestens eine Million Wahlberechtigte innerhalb von sechs Monaten dem Volksbegehren zugestimmt haben. Ein Volksbegehren, das eine Änderung des Grundgesetzes anstrebt, bedarf der Zustimmung von zwei Millionen Wahlberechtigten.
- Stufe 3: Volksentscheid: "Entspricht der Bundestag nicht innerhalb einer Frist von drei Monaten dem Volksbegehren, so findet frühestens vier Monate, spätestens zwölf Monate nach dem Abschluss eines erfolgreichen Volksbegehrens ein Volksentscheid statt. Die Fraktionen des Bundestages können eigene Gesetzesvorlagen zum selben Gegenstand zur Abstimmung stellen. Der Bundestag kann mit der Mehrheit seiner Abgeordneten beschließen, einen Volksentscheid zu einem von ihm behandelten politischen Gegenstand durchführen zu lassen. Drei Wochen nach Festlegung des Wahltermins zum Bundestag hat jede Fraktion des Bundestages das Recht, eine Sachfrage zur Abstimmung am Wahltermin vorzuschlagen. Das Bundesverfassungsgericht hat unverzüglich zu entscheiden, ob die Antwort mit "Ja" oder "Nein" grundgesetzkonform ist. Verneint das Bundesverfassungsgericht dies, hat die betreffende Fraktion die Möglichkeit, innerhalb von dreiWochen die Frage grundgesetzkonform zu formulieren oder eine neue Sachfrage vorzulegen. Der gewählte Bundestag ist für seine Wahlperiode an die Entscheidung der Bürgerinnen und Bürger in diesen Fragen gebunden. Eine Gesetzesvorlage oder ein anderer bestimmter Gegenstand der politischen Willensbildung sind durch Volksentscheid angenommen, wenn die Mehrheit der Abstimmenden zugestimmt hat. Es zählen nur die gültigen Ja- und Nein-Stimmen. Bei Stimmengleichheit ist der Entwurf abgelehnt. Bei Gesetzen, die der Zustimmung des Bundesrates bedürfen, gilt das Ergebnis der Abstimmung in einem Land als Abgabe seiner Bundesratsstimmen. Ein das Grundgesetz änderndes Gesetz bedarf der Zustimmung von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen gültigen Stimmen. Mindestens ein Viertel der Stimmberechtigten muss seine Stimme abgegeben haben."
FDP, SPD und Grüne sind zwar grundsätzlich für Volksentscheide auf Bundesebene (mehr dazu bei Mehr Demokratie e.V.) lehnen den Linken-Antrag aber dennoch ab bzw. enthielten sich bei der Abstimmung.
Die FDP verweist gemeinsam mit CDU/CSU auf den gemeinsamen Koalitionsvertrag. Die Regierungsparteien setzen darin unter dem Stichwort "Bürgerbeteiligung" auf eine Weiterentwicklung und Verbesserung des Petitionswesens.
Die SPD begründete ihre Ablehnung des Linken-Antrags im Innenausschuss des Bundestags (pdf) mit den "viel zu niedrigen Quoren, insbesondere der Zahl von 100 000 Wahlberechtigten für die erfolgreiche Einbringung einer Volksinitiative sowie die Verknüpfung der Bundestagswahl mit der Abstimmung über Sachfragen." Überdies sehen die Sozialdemokraten "zurzeit wenig Sinn in einem solchen Vorstoß, da ohnehin klar sei, dass er wegen der Verweigerung der Fraktion der CDU/CSU keine Aussicht auf Erfolg habe."
Die Grünen enthielten sich der Stimme, auch sie halten das Quorum von 100.000 Wahlberechtigten für zu niedrig. Bei plebiszitären Verfahren müsse es ein repräsentatives Element geben. Außerdem erfolge der Übergang von durch den Bundestag abgelehnter Volksinitiative zum Volksbegehren und dann später ggf. zum Volksentscheid aus Sicht der Grünen zu schnell.
Weiterführende Links:
- Der Antrag der Linkspartei im Wortlaut (pdf)
- Die Begründungen der Fraktionen zu ihrem Abstimmungsverhalten (s. Seite 4) (pdf)
- Wie dem Bundestag bei einer Verfassungsänderung die Abgeordneten abhanden kamen (abgeordnetenwatch.de-Blog)
- Die Positionen der Parteien zum bundesweiten Volksentscheid auf den Seiten von Mehr Demokratie e.V